Kultur – nicht reaktiv, sondern präventiv!

In den letzten Jahren haben wir unsere Kinder- und Jugendkunstschule professionalisiert. Durch
die Einstellung einer Medienpädagogin und einer Kunstpädagogin konnten wir, nach vielen
Jahren Vorleistung, endlich qualifiziertes Personal gewinnen, das sowohl die pädagogischen als
auch die Anforderungen im künstlerischen und medialen Bereich erfüllt.

Wir haben ein Qualitätsmanagement eingeführt, Fortbildungen in allen Bereichen besucht, neue
Räumlichkeiten gesucht, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden und auch für
Schulklassen ein Angebot bieten zu können. Dieses städtische Gebäude werden wir durch
Sponsoren, Crowdfunding und Eigenleistung selbst renovieren.

Wir übernehmen mittlerweile die Aufgaben eines Jugendtreffs, beraten und unterstützen
Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen, kombiniert mit einem kreativen Angebot, um die
Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl zu stärken. Wir haben eine Internetseite entwickelt,
auf der wir alle Ansprechpartner:innen bei psychischen oder familiären Problemen auflisten und
stets aktualisieren, (scan if you feel bad), die von vielen Institutionen genutzt wird.
Wir kooperieren mit städtischen und kulturellen Einrichtungen und Schulen in Ingolstadt,
national und international. Wir organisieren Ausstellungen, Kinderangebote im öffentlichen
Raum, Festivals und Konzerte.
Im Sommer fahren wir mit unserem Kunstmobil in die Stadtteile, um auch Kindern ein kreatives
Angebot zu ermöglichen, die nicht zu uns kommen können.
Viele junge Menschen haben in unserer Schneiderei den Umgang mit der Nähmaschine gelernt.
Wir vermitteln handwerklichen Fähigkeiten und zeigen Kindern und Jugendlichen, dass man
digitale Medien nicht nur konsumieren, sondern als kreatives Werkzeug nutzen kann.
Wir haben 10 Jahre eine Jugendbigband aufgebaut, die auf dem Deutschen Orchesterwettbewerb
mit hervorragendem Erfolg teilgenommen hat und jetzt zu den besten Jugendbigbands
Deutschlands gehört. Unsere Stromlos Combo und weitere Formationen sind auf vielen
städtischen Veranstaltungen zu hören.
Wir unterstützen bei der Vorbereitung zu Aufnahmeprüfungen an Hochschulen und begleiten
junge Musiker:innen und Designer:innen auf ihrem Weg in die Professionalität. Unser
hochwertiges Equipment, Material, Festivals mit internationalen Dozent:innen und
Künstler:innen und regionale und nationale Projekte haben wir durch Crowdfunding, Sponsoren
und Förderanträge selbst finanziert.
Das alles wurde mit viel ehrenamtlichem und leidenschaftlichen Engagement über 20 Jahre
aufgebaut und kostet der Stadt Ingolstadt sehr, sehr viel weniger als eine städtische Einrichtung
mit den gleichen Angeboten.
Nach vielen Jahren, immensem ehrenamtlichen Einsatz und vielen Gesprächen war es dann
2023 so weit. Wir konnten unsere Institution endlich mit drei Stellen durch die Förderung der
Stadt Ingolstadt auf nachhaltige und sichere Beine stellen, um auch für kommenden
Generationen einen verlässlichen und kreativen Ort bieten zu können.
Nur zwei Jahre später wird in einer Sitzung in 10 Minuten, ohne groß darüber nachzudenken,
welche Folgen diese Kürzungen haben werden, alles zunichte gemacht. Eine Kürzung in
diesem Ausmaß bedeutet, dass wir Ende des Jahres zwei Mitarbeiterinnen entlassen müssen, die
unserer Stadt als dringend benötigte Fachkräfte verloren gehen!
Ab 2026 müssen wir alle Angebote für Kinder, die Kurse, Ferienangebote, die mobile Arbeit mit
dem Kunstmobil in den Stadtteilen, Aktionen wie Kindolstadt, dem Weltkindertag und vieles
mehr einstellen.
Daraus resultiert ein Wegbrechen der Mitgliedsbeiträge, der Angebotsbezogenen Förderung
durch den Freistaat Bayern und Kurseinnahmen. Der finanzielle Verlust liegt dadurch bei weit
mehr als der Hälfte unseres Gesamtbudgets. Was dann nächstes Jahr passiert, weiß niemand.
Und neben der drohenden Arbeitslosigkeit der Mitarbeiterinnen sind die größten Verlierer
wieder einmal die Kinder und Jugendlichen.
Kinder- und Jugendarbeit ist eine Investition in die Zukunft. Sie schafft Räume, in denen junge
Menschen, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, Gemeinsamkeiten
entdecken, sich sicher fühlen und ihre Persönlichkeit entfalten können. Nach den Coronajahren,
in denen Kinder und Jugendliche die Ersten und die Letzen waren, die unter den Maßnahmen
zu leiden hatten, können wir nicht schon wieder unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Krisen auf ihrem Rücken austragen.
Kulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche müssen nicht nur reaktiv, sondern präventiv
eingesetzt werden!
Ihre Bedürfnisse, gesellschaftlich wahrgenommen zu werden oder Räume für sich zu haben, in
denen sie sich kostenfrei treffen, austauschen und ihr persönliches und kreatives Potential
entdecken und entwickeln können, werden vernachlässigt. Schlimmer noch, es werden nicht
nur keine neuen Räume geschaffen, es werden auch gut funktionierende und bestehende Räume
kaputt gespart.
Was jetzt zerstört wird, lässt sich nicht so schnell wieder aufbauen!
Falsche Entscheidungen, die jetzt in Bezug auf die Kürzungen in der kulturellen Bildung und im
gesamten Kulturbereich getroffen werden, werden Ingolstadt um Jahre zurückwerfen und ein
massives Loch in die Lebens- und in die Standortqualität reißen. Kein Wunder, dass viele junge
kreative Köpfe, die wir eigentlich hier dringend brauchen, es kaum erwarten können, ihrer
Heimatstadt den Rücken zu kehren. Es fehlt es ihnen an Sichtbarkeit und Wertschätzung, denn
viele von ihnen würden liebend gerne ihrer Stadt etwas zurückgeben. Diese Wertschätzung
kostet der Stadt kein Geld, nur etwas Zeit und Interesse, um den jungen Menschen zu zeigen,
wir sehen, was ihr auf die Beine stellt!
Je mehr wir die Bedürfnisse und das Potenzial von jungen Menschen ignorieren, umso mehr
verlieren sie ihr Vertrauen in die Politik, die gesellschaftliche Teilhabe, in die Demokratie und
die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Es wird ständig herausgestellt, was Kultur und kulturelle
Bildung kostet, welchen unschätzbaren Wert sie für eine Gesellschaft, für ihre Zukunft und das
gemeinsame Miteinander darstellt, hat diese Stadt anscheinend immer noch nicht verstanden!
Kulturarbeit in der Demokratie ist Teil der Aufklärung.
Beate Diao und das ganze Team der Kunst und Kultur Bastei